19 Feb

Der neue Normvertrag – Ein Vortrag von RA Struppler

Seit dem 1. Juni 2019 ist der neue Normvertrag in Kraft, vereinbart zwischen dem VS in ver.di / VdÜ e.V. und dem Börsenverein des deutschen Buchhandels e.V. / Verleger-Ausschuss. Ist er den Kolleginnen und Kollegen überhaupt präsent? Was ist neu, was ist anders, und wie gehen wir beim Verhandeln mit unseren Verlagen damit um?

Das war der Ausgangspunkt zu diesem Abend mit Rechtsanwalt Victor Struppler, dem verbandsinternen Rechtsberater des VdÜ – und um es vorwegzunehmen, es war ein mit Informationen gespickter Abend, der gut und gerne eine Stunde länger hätte dauern können, wenn denn Köpfe aufnahmefähiger wären.

Ein neuer Normvertrag war notwendig geworden, weil am alten seit 1992 keine Anpassungen mehr vorgenommen worden waren, sich bei der Übersetzerarbeit aber vieles verändert hat: In der Zwischenzeit hat es Urheberrechtsveränderungen ebenso gegeben wie technische Neuerungen und auch mehrere Urteile.

Eingangs stellte Herr Struppler klar, dass der Normvertrag keine Vergütungen nennt, da der Börsenverein darüber nicht verhandeln darf.

Der Normvertrag ist besser als die meisten Hausverträge, bei Großverlagen mit eigenem Vertrag aber (leider) selten durchsetzbar. Kleinere Verlage übernehmen ihn eher, da sie keine eigene Justiziarabteilung haben und der vorliegende Vertrag ihnen Rechtssicherheit bietet. Übrigens gilt er nur für Deutschland; Österreich und die Schweiz haben eigene Normverträge und auch jeweils ein anderes Urheberrecht. Außerdem gilt er weder für Fachbücher (wohl aber für Sachbücher) noch für Graphic novels und auch nicht für gemeinfreie Bücher, da bei denen der Autorenanteil wegfällt.

Nach diesen einleitenden Worten wurde der neue Normvertrag Absatz für Absatz durchgesprochen (wer ihn lesen möchte:

https://www.literaturuebersetzer.de/site/assets/files/5010/normvertrag_uebersetzer_2019.pdf), wobei Herr Struppler bestimmte Absätze herausgriff.

§1 – Der Vertragsgegenstand

Absatz 4: Hier geht es v.a. darum, dass der Übersetzer den Verlag auf alle Rechte Dritter hinweisen muss, die mit der Übersetzung verletzt werden könnten (Urheber-, Persönlichkeits-, Zitat-, Bild- und Abbildungsrechte). Wichtig ist zu wissen, dass geflügelte Worte urheberrechtlich geschützt sind (etwa das Zitat „Schau mir in die Augen, Kleines“) – und das ist insbesondere wichtig bei allem, was im Internet steht.

§2 – Rechte und Pflichten des Übersetzers

Abs. 3b: Hier geht es um die Vereinbarung über zusätzliche Leistungen des Übersetzers – an diesem Punkt kann man gut ein Zusatzhonorar aushandeln, z.B. für Recherche.

Abs. 4: „Spätere Ergänzungen bedürfen […] der schriftlichen Vereinbarung.“ Auf diesen Punkt ist von Übersetzerseite besonders zu achten.

Abs. 5: Hier geht es um vom Verlag beanstandete Mängel – ein schwieriges Thema, weil Mängel nicht klar definierbar sind. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, etwas, das die Übersetzung nicht haben/sein wird, gleich in den Vertrag hineinzuschreiben – z.B., dass sie nicht historisierend sein wird.

Bearbeitet der Verlag die Übersetzung wegen Mängel, kann der Übersetzer die Erwähnung seines Namens untersagen; besser ist in diesem Fall allerdings, seinen Namen durch einen Alibinamen zu ersetzen, weil es dann keine Probleme mit den eigenen Rechten gibt (z.B. gegenüber der VG Wort). Random House gibt in solchen Fällen abweichend vor, dass der Übersetzer nicht zwingend genannt werden muss.

Wenn der Verlag die Übersetzung bearbeitet, kann sich der Übersetzerals der Urheber je nach der Art der Bearbeitung (etwa für ein Hörbuch) gegen Entstellendes wehren. Möglich ist es auch, im Vertrag den Passus zu streichen, dass der Verlag Änderungen etc. vornehmen darf.

Es sind auch Fälle bekannt, dass ein Verlag Mängel vorschob, um den Übersetzer nicht bezahlen zu müssen.

 

§3 Rechte und Pflichten des Verlags

Abs. 1: Hier geht es darum, dass der Verlag verpflichtet ist, das übersetzte Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten – so steht es bereits im 120 Jahre alten Verlagsgesetz. Verlage haben keine eigene Leistungsfunktion, und schon gar nicht sind sie Urheber, ihnen kommt lediglich eine Scharnierfunktion zu. Random House distanziert sich in seinem Hausvertrag von der Verpflichtung zur Veröffentlichung.

Abs. 3: Hier geht es um den Titel, die Ausstattung etc. des Werks. Übersetzt man für ein TB, lohnt es sich, an dieser Stelle in den Vertrag zu schreiben, dass man xy Euro pro MS mehr bekommt im Fall, dass das Buch als HC erscheint.

§4 Rechtseinräumungen

In diesem Bereich haben sich wegen der Digitalisierung die meisten Änderungen ergeben.
Der Übersetzer kann versuchen, einzelne Rechte aus dem Vertrag zu streichen. Unter Abs. 1r werden auch die Rechte an „zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannten Nutzungsarten“ übertragen – für diese muss man dann jeweils die Vergütung verhandeln.

§5 Rückrufrecht des Übersetzers

Es ist sehr empfehlenswert, die Rechte an der eigenen Übersetzung zurückzurufen. Wenn ein Zweitverlag, der das Werk wiederveröffentlichen möchte, den Übersetzer darum bittet, die Rechte zuvor zurückzurufen, fährt man auf jeden Fall besser damit (es empfiehlt sich, in dem Fall ein Honorar des halben Normseitenpreises auszuhandeln).
Die Frage, ob einzelne Rechte rückrufbar sind, ist strittig.

§6 Vergütung

Die Höhe des Normseitenpreises wird hier, wie gesagt, nicht genannt.

Abs.1:  Es ist sehr sinnvoll, einen Vorschuss zu verlangen, sowohl für den Fall, dass der Verlag insolvent wird, als auch, wenn er Mängel beanstandet.

Abs.3: Hier geht es um die Beteiligung am Erlös. Wichtig ist, darauf zu achten, dass die Beteiligung nicht verrechenbar ist (was z.B. bei Lübbe nicht der Fall ist).
Bis zur Regelung der Beteiligung im Jahr 2003 war oft von einem „Missverhältnis“ die Rede – wenn der Erlös des Verlags in keinem Verhältnis zum Übersetzerhonorar stand. Das ist heute klarer geregelt: Ab dem 5001. Exemplar erhält man bei HC 0,8%, bei TB 0,4% des Nettoladenpreises (der ist genau berechenbar: Preis abzüglich MWSt). Bei Hörbüchern gibt es die Beteiligung am Nettoverlagserlös, der nicht genau berechenbar ist, ebenso wenig wie eine Beteiligung am Nettolizenzerlös. Auf diese Begriffe ist genau zu achten!
Diese Vergütungsregel ist im Übrigen gültig, auch wenn sich viele Verlage nicht daran halten.

Zur Beteiligung an Werken, die als Print on Demand erscheinen, gibt es noch keine Urteile, aber die ersten 5000 Exemplare sind auf jeden Fall ohne Beteiligung.

Abs.7: „Der Übersetzer erhält für alle sonstigen Verwertungsformen und Ausgaben des Werkes eine angemessene Vergütung, über die sich die Parteien bei beabsichtigter Nutzungsaufnahme durch den Verlag verständigen werden.“ Auf diesen Absatz ist besonders zu achten!

§11 Urhebernennung

Der Übersetzer muss auf der Haupttitelseite genannt werden – eine wesentliche Neuerung gegenüber dem alten Normvertrag.

Für weitere praxisorientierte Kommentare genügte die Zeit nicht, die ohnehin prall gefüllt war mit aufschlussreichen und nützlichen Informationen. Fortsetzung folgt (hoffentlich).

(c) Ursula Wulfekamp